Kostenschätzungssoftware - ein Vergleich
LineLab kann zur Schätzung von Produktionskosten verwendet werden. Aber ist LineLab ein Kostenschätzungstool?
Bottom-Up, Top-Down: Die Basics
Das grundlegende Ziel von Kostenschätzung besteht darin, die Werkzeuge und Metriken der Kostenrechnung auf eine Produktion anzuwenden, die so noch nicht existiert. Kostenschätzung muss damit nicht nur Details zur Kostenrechnung berücksichtigen, sondern auch zur Produktion, noch bevor diese umgesetzt wird. Grundsätzlich werden Kostenschätzmethoden in zwei Hauptansätze eingeteilt: Top-Down-Methoden und Bottom-Up-Methoden. [1][2][3]
Top-Down-Methoden schätzen die Kosten auf der Grundlage der Kosten ähnlicher vergangener Projekte. Bottom-Up-Methoden hingegen schätzen die Kosten, indem sie alle Ressourcen (Material, Arbeitskraft) berücksichtigen, die in das Endprodukt einfließen werden.
Bottom-Up-Methoden ermitteln eine Kostenschätzung für das Endprodukt, indem sie die Kosten der einzelnen Bestandteile addieren. Dies hat insbesondere bei der Schätzung von Herstellungskosten den subtilen Effekt, dass Auswirkungen von Variationen auf den Produktionsfluss ignoriert werden - manchmal kann der Nutzer einen Schätzwert eingeben, sagen wir 30% der Gesamtkosten, aber die Realität kann natürlich je nach Materialfluss, Durchsatz, und Produktmix im System ganz anders ausfallen. Außerdem erfordern Bottom-Up-Ansätze detaillierte Kenntnisse des Systems, die zu Beginn der Planung lange nicht verfügbar sind.
Top-Down-Ansätze hingegen stützen sich auf umfangreiche Sammlungen historischer Daten. Dies macht Top-Down-Ansätze ungeeignet für die Abbildung von noch nie dagewesenen Systemänderungen. Manchmal wird eine Variable "Prozent Neukonstruktion" (bzw. "Heritage") abgefragt. Ein zusätzlicher Kostenfaktor wird dann basierend auf dem Prozentsatz an "neuer Konstruktion" angewendet. Die meisten Top-Down-Kostenschätzmethoden basieren auf dem Gewicht, d.h. sie leiten aus vergangenen Projekten die Kosten pro Kilogramm ab und wenden diese auf das erwartete Gewicht des neuen Teils an.
Die Association for the Advancement of Cost Engineering (AACE) sieht Top-Down- oder "parametrische" Kostenschätzmethoden für die frühen Phasen vor, wenn weniger als 15% des Projekts definiert sind (mit einer Abweichungsspanne von +/- 20-50%), und Bottom-Up für die abschließende, detaillierte ingenieurtechnische Schätzung, wenn 50-100% des Projekts definiert sind (mit einer Abweichungsspanne von +/- 3-15%). [2]
Typische Kostenschätzungstools
Top-Down- oder "parametrische" Kostenschätzungstools werden in den frühen Konstruktionsphasen verwendet und basieren auf Sammlungen historischer Daten. Häufig geben Benutzer mehrere subjektive Variablen an, wie z.B. wahrgenommene "Komplexität" auf einer 5-Punkte-Skala, ungefähre "Neukonstruktion (%)", oder erwartetes Teilegewicht (oft der Schlüsselfaktor für die Skalierung). Unsichere Eingaben (Minimum, wahrscheinlich, Maximum) sind in vielen kommerziellen Softwareprodukten verfügbar. Basierend auf früheren Gewichts-Kosten-Beziehungen (unter Berücksichtigung von Komplexität und anderen Variablen) wird eine ungefähre Kostenkalkulation von der Software abgeleitet. Sensitivitätsanalysen sind manchmal für die quantitativen Eingaben im Modell verfügbar.
Bottom-Up-Werkzeuge geben separate Kosten für jede einzelne Operation an und summieren diese auf. Viele kommerzielle Tools haben detaillierte Prozessmodellbibliotheken, sind jedoch nicht erweiterbar, d.h. sie sind auf die vom Softwareanbieter definierten Prozessmodelle beschränkt (um benutzerdefinierte Prozessmodelle hinzuzufügen, schlagen einige Anbieter vor, Beratungszeit zu buchen, um ein zusätzliches Prozessmodell für den Kunden zu realisieren - das ist natürlich keine Option, wenn Prozessinformationen streng vertraulich sind). Da detaillierte Eingaben erforderlich sind, werden Bottom-Up-Kostenschätzprodukte manchmal als Plugins für CAD-Software geliefert (z.B. SEER-3D, aPriori). Nach der anfänglichen Einrichtung ermöglicht dies eine schnelle Kostenschätzung mit Design-Sensitivitäten. Dabei werden jedoch keine Auswirkungen des Produktionsflusses berücksichtigt. Manchmal wird ein pauschaler x%-Anteil für Puffer und Warteschlangen angenommen, aber die Auswirkungen von Variation auf das Warteschlangenverhalten (insbesondere von Warteschlangen an verschiedenen Stellen in der Prozesskette) werden nicht berücksichtigt. Folglich kann diese Art der Kostenschätzung sehr hilfreich sein, aber es gibt einige wichtige operative tote Winkel, auf die man achten sollte. Je nach Branche kritisieren Ingenieure auch die Begrenzung auf eingebaute Prozessmodelle.
Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Top-Down und Bottom-Up heute möglicherweise nicht so klar, wie es die Industriestandards erscheinen lassen.
Heutzutage basieren viele Kostenschätzwerkzeuge auf Korrelationen, bauen sich jedoch gleichzeitig darauf, die Kosten der einzelnen Teile zusammenzuzählen und implementieren teilweise einen Bottom-Up-Ansatz (d.h. Interaktionen wie Warteschlangeneffekte werden nicht berücksichtigt). Auf diese Weise können Softwareanbieter die relative Praktikabilität der Verwendung historischer Daten (anstatt detaillierte Prozessmodelle entwickeln zu müssen) mit dem Komfort eines CAD Plugins kombinieren (im Fall von Facton, das Stücklisten aus CAD-Daten extrahiert). Auf der anderen Seite sinkt natürlich die Genauigkeit der Methode erheblich: Weder werden Prozessphysik erfasst noch die Auswirkungen komplexer Fertigungssysteme. Insbesondere die wesentliche Einschränkung von Top-Down-Ansätzen, dass neuartige Prozesse ohne historische Daten nicht modelliert werden können, besteht weiterhin. Nicht überraschend ist, dass durch die Kombination der relativen Bequemlichkeit von Top-Down-Kostenschätztechniken mit den Vereinfachungen und der Idee der Linearität von Bottom-Up-Techniken auch die Nachteile und Fehlerquellen beider Ansätze kombiniert werden. Daher eignen sie sich vor allem dort, wo eine Abweichung von +/- 20-50% vernachlässigbar ist, und keine wichtige Investitionsentscheidung erfolgt (z.B. Kurzserie).
LineLab
LineLab hat einige Ähnlichkeiten mit Top-Down- als auch von Bottom-Up-Kostenschätzmethoden, ist jedoch in der Lage das geplante Produktionssystem mit hoher Genauigkeit zu modellieren, erfasst komplexe Materialflussdynamiken und ermittelt präzise die mögliche Auslastung und benötigten Bestand. Das macht LineLab selbst bei drastischen Systemveränderungen sehr zuverlässig.
Bei LineLab geben Ingenieure grundlegende Modellinputs über die Prozesskette und das Produktionssystem ein. In dieser Hinsicht unterscheidet es sich von "parametrischen" Kostenschätzwerkzeugen, bei denen Kosten basierend auf historischen Korrelationen sowie Nutzereingaben zu Gewicht, Komplexität und % neues Design grob geschätzt werden. Bei LineLab werden einige physikbasierte Prozessmodelle bereitgestellt, ähnlich wie bei Bottom-Up-Kostenschätzwerkzeugen, aber es liegt am Benutzer, ob diese Beispiele oder eigene Prozessmodelle verwendet werden.
Darüber hinaus bietet LineLab benutzerdefinierte "parametrische" Eingaben und kann unsichere Eingaben verarbeiten (Minimum, wahrscheinlich, Maximum), wodurch es schon weit vor Bottom-Up-Kostenschätzwerkzeugen anwendbar ist. Gleichzeitig machen die Produktionsflussmodelle die Ergebnisse von LineLab (und die Sensitivitätsanalyse) viel genauer als die von Bottom-Up-Tools. Allerdings ist LineLab derzeit nicht in CAD-Software integriert wie einige Bottom-Up-Kostenschätzwerkzeuge.
LineLab bietet auch eine Reihe von Funktionen, die in Kostenschätzwerkzeugen normalerweise nicht angeboten werden: detaillierte Tradeoff-Diagramme, welche den Zusammenhang zwischen beliebigen Eingaben und Ergebnisvariablen (nicht nur Kosten) herstellen, Geschäftsmodell- und Lebenszyklus-Analyse, Nachhaltigkeitsparameter, uneingeschränkte Parametrisierung und Optimierung einer beliebigen Anzahl von Variablen und natürlich eine detaillierte Ansicht der Operationen innerhalb der Fabrik.
Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede zusammen:
Haupts. Top-Down z.B. SEER-Space, SEER-H, Price Systems, 4Cost | Haupts. Bottom-Up z.B. SEER-MFG, aPriori | LineLab | |
---|---|---|---|
Kernkomponenten | Datensätze ähnlicher Produkte | Bekannte Prozessmodelle | Dynamische Modellierung des Produktionsflusses |
Typische Eingaben | Gewicht, Komplexität, %-neue-Konstruktion, BOM | Detaillierte Maße / CAD-Datei | Prozesskette, ggf. parametrisch |
Einfluss des Produktionsflusses | Kann Änderungen nicht erfassen | Nicht erfasst | Automatisch berechnet, hohe Genauigkeit |
Benutzerdefinierte Prozessmodelle | Teils eigene Korrelationsdaten (z.B. SEER-H, aber nicht SEER-Space) | I.d.R. nicht möglich | Ja |
Prozessmodelle enthalten | Ja (Korrelationsdaten) | Ja | Beispiele, aber Fokus auf benutzerdefinierte Prozesse |
Sensitivitätsanalyse | Je nach Eingaben, ggf. eher qualitativ | Ja, Konstruktions-Eingaben | Ja, sämtliche Eingaben |
Design-to-Cost | I.d.R. | Ja | Ja |
Fazit
Sie können LineLab zur Kostenschätzung der Produktion verwenden. Allerdings ist LineLab kein klassisches Kostenschätzungstool, sondern eine neue und andere Methode. Es erfasst das Zusammenspiel der Operationen, nicht nur einzelne Schritte, und ermöglicht eine detailliertere Modellierung. LineLab benötigt keine Datenbanken mit historischen Korrelationsdaten, kann jedoch eine höhere Genauigkeit erreichen und glänzt besonders bei der Entwicklung neuer Technologien und Prozesse.
- "NASA Cost Estimating Handbook", 2020
- Christensen & Dysert: "Cost Estimate Classification System - As Applied in Engineering, Procurement, and Costruction for the Process Industries", 2005
- Boehm et al.: "Software development cost estimation approaches - A survey", 2000